Der Aufstand der Frauen

Von Ralf Leonhard · · 2000/11

Indianische Frauen im Hochland von Guatemala helfen sich selbst auf dem Weg zu größeren gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Freiräumen.

Du bis zu alt dafür.“, „Was willst Du damit anfangen?“, „Du vergeudest nur Deine Zeit.“ Mit solchen Argumenten versuchen viele Männer ihre Ehefrauen vom Besuch der Alphabetisierungskurse oder politischen Bildungsseminare abzuhalten. „Die meisten kommen aber doch und manche bringen sogar ihre Männer mit“, berichtet Victorina Poroj, die Leiterin der indigenen Selbsthilfeorganisation SIDEMO in Guatemala.

SIDEMO steht für Servicios Integrales para el Desarrollo de la Mujer de Occidente (Integraler Entwicklungsdienst für Frauen in der Westregion) und will durch ein umfassendes Angebot an Unterstützungen für Frauengruppen in den indigenen Gemeinden der Departements Totonicapán, Quetzaltenango, Sololá, Retalhuleu, Quiché und Huehuetenango zur Entwicklung der Frauen dieser Hochlandregion beitragen.

SIDEMO ist bereits in 40 Gemeinden organisiert und wächst seit der Gründung in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre beständig. Deklariertes Ziel ist die Einbindung der Frau in die Gesellschaft, in der sie eine aktivere Rolle übernehmen soll. Victorina Poroj findet es unerträglich, dass so viele indigene Frauen als Hausangestellte in den Städten arbeiten müssen oder gar in die USA auswandern. SIDEMO unterstützt sie durch Ausbildung und bei der Vermarktung ihrer Produkte. Alphabetisiert wird zweisprachig: in Quiché und Spanisch. Denn die Pflege der eigenen Sprache wird als genauso wichtig betrachtet wie die Beherrschung der Amtssprache, die im Wirtschaftsleben und Umgang mit den Behörden Vorteile bringt. Können die Frauen einmal Lesen und Schreiben, dann werden sie zum Besuch von Fortbildungskursen animiert. Die reichen von Naturmedizin über politische Bildung bis zum Umgang mit Geld. Grundbegriffe der Kostenrechnung sind nicht nur nützlich für jene, die einen Kleinkredit in Anspruch nehmen wollen, sondern helfen auch in der Manufaktur von Leichtbeton-Dachziegeln und bei der Vermarktung von Kunsthandwerk.

Die meisten Frauen weben. Allerdings verkaufen sie ihre Stoffe an Zwischenhändler, die sie dann zu Taschen, Hemden und anderen von TouristInnen begehrten Artikeln verarbeiten lassen. Der Verdienst ist denkbar gering, denn den größten Schnitt machen die Händler. Deswegen wollen die Frauen von SIDEMO ein Lager bauen, wo Webereien aber auch Agrarprodukte abgegeben und kollektiv vermarktet werden können. Mit dem Kauf von Nähmaschinen würden sie eine weitere Verarbeitungsstufe in ihren Gemeinden ermöglichen.

Victorina Poroj, die von den Veranstaltern der Ausstellung „Eine Reise nach Mittelamerika“, die bis 20. Oktober in Wien zu sehen war, nach Österreich eingeladen wurde, hat einen Packen Projektanträge in der Tasche. Sponsoren werden gesucht.

Das gewachsene politische Bewusstsein der SIDEMO-Frauen kann man inzwischen an den Wahlergebnissen ablesen. Letztes Jahr wurde wegen mangelnder Beteiligung der indigenen Bevölkerung ein Paket von im Friedensabkommen 1996 beschlossen Verfassungsreformen niedergestimmt. Viele der Quiché-Gemeinden bildeten ruhmvolle Ausnahmen: SIDEMO hatte nicht nur die nötige Aufklärung betrieben sondern auch 2000 Frauen geholfen, sich rechtzeitig im Wahlregister eintragen zu lassen.

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